Prozess-Mining und BPM vereint: Die datengestützte Optimierung von Enterprise-Prozessen
In der komplexen Welt großer Organisationen ist das Streben nach Effizienz, Transparenz und Compliance eine Daueraufgabe. Business Process Management (BPM) liefert den methodischen Rahmen und die technologische Plattform zur Gestaltung und Steuerung von Geschäftsprozessen. Doch wie stellen Sie sicher, dass Ihre modellierten Soll-Prozesse auch der gelebten Realität entsprechen und tatsächlich optimal funktionieren? Hier kommt Prozess-Mining ins Spiel – als datengestützte Ergänzung, die verborgene Ineffizienzen aufdeckt und den Weg für gezielte Verbesserungen ebnet.
1. Fundamente im Enterprise-Kontext: BPM und Prozess-Mining

Business Process Management (BPM) ist für uns bei flying dog software ein ganzheitlicher, strategischer Ansatz. Es geht darum, unternehmenskritische Prozesse systematisch zu definieren, zu modellieren (z.B. mit BPMN 2.0), zu implementieren, zu automatisieren, zu überwachen und kontinuierlich zu optimieren. Ziel ist es, nicht nur die Effizienz zu steigern, sondern auch die Agilität zu erhöhen, um schnell auf Marktveränderungen oder interne Anforderungen reagieren zu können. Leistungsstarke BPM-Plattformen bieten hierfür Modellierungswerkzeuge, eine robuste Workflow Engine, flexible Formular-Editoren und umfassende Dashboards zur Leistungsüberwachung – idealerweise mit der Möglichkeit zum On-Premise-Betrieb für volle Datenkontrolle.
Prozess-Mining hingegen agiert wie ein “Röntgenblick” für Ihre IT-Systeme. Es nutzt die historischen Log-Daten (Event-Logs) aus Ihren bestehenden Anwendungen (ERP, CRM, DMS, Workflow-Systeme etc.), um die tatsächlich ausgeführten Ist-Prozesse detailgetreu zu rekonstruieren. Anstatt von Annahmen oder Soll-Modellen auszugehen, visualisiert Prozess-Mining, wie Prozesse wirklich ablaufen, identifiziert Engpässe, unerwünschte Schleifen, Abweichungen vom Standard und versteckte Ineffizienzen.
2. Prozess-Mining als Katalysator im BPM-Lebenszyklus
Der klassische BPM-Lebenszyklus umfasst die Phasen Design, Implementierung, Ausführung, Monitoring, Analyse und Optimierung. Prozess-Mining entfaltet seine größte Wirkung und ergänzt diesen Kreislauf insbesondere in den Phasen Monitoring, Analyse und als Impulsgeber für die (Re-)Design-Phase:
- Monitoring & Abweichungsanalyse: Während BPM-Systeme oft Dashboards mit vordefinierten KPIs bieten, liefert Prozess-Mining eine tiefere Ebene der Überwachung. Es kann in Echtzeit (oder near real-time) Abweichungen zwischen dem modellierten Soll-Prozess und dem tatsächlichen Ist-Ablauf aufzeigen, basierend auf den digitalen Spuren in Ihren System-Logs.
- Datengestützte Ursachenanalyse: Prozess-Mining geht über die reine Identifikation von Problemen hinaus. Es hilft, die Ursachen für Ineffizienzen oder Compliance-Verstöße aufzudecken – seien es unerkannte manuelle Workarounds, systembedingte Verzögerungen oder fehlerhafte Prozesslogik.
- Validierung und Optimierung von Prozessmodellen: Die aus dem Mining gewonnenen Erkenntnisse sind Gold wert, um die in der BPM-Plattform modellierten Soll-Prozesse zu validieren, anzupassen und zielgerichtet zu optimieren.
Diese datengetriebene Analyse validiert nicht nur bestehende Modellannahmen, sondern liefert auch konkrete, faktenbasierte Ansatzpunkte für Optimierungsmaßnahmen innerhalb Ihres BPM-Systems.
3. Synergiepotenziale in Aktion: Praxisbeispiele aus Großunternehmen
Die Kombination von BPM und Prozess-Mining entfaltet gerade in komplexen Enterprise-Umgebungen erhebliche Synergien:
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Validierung und Verfeinerung von Prozessmodellen (z.B. Logistik): Ein internationales Logistikunternehmen hatte seine Kern-Versandprozesse detailliert in seiner BPM-Plattform modelliert. Durch den Abgleich dieser Soll-Prozesse mit den realen Tracking-Daten (via Prozess-Mining) wurden unerwartete, signifikante Wartezeiten und Engpässe beim Umschlag an bestimmten Hubs aufgedeckt, die im ursprünglichen BPM-Modell nicht berücksichtigt waren. Diese Erkenntnisse ermöglichten eine gezielte Anpassung der Prozesslogik und die Optimierung der Automatisierungsregeln im BPM-System, was zu verkürzten Durchlaufzeiten führte.
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Proaktive Erkennung von Compliance-Risiken (z.B. Finanzsektor): Eine Großbank nutzte Prozess-Mining zur kontinuierlichen Überwachung ihrer Kreditprüfungs- und -genehmigungsprozesse. Das Mining-Tool detektierte in Echtzeit Abweichungen von den vordefinierten, Compliance-konformen Autorisierungspfaden (z.B. Vier-Augen-Prinzip-Verletzungen). Diese Informationen wurden direkt an das BPM-System zurückgespielt, welches daraufhin automatische Eskalationspfade oder Korrekturmaßnahmen auslöste, sobald definierte Compliance-Grenzen überschritten wurden.
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Etablierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) (z.B. Fertigung): Bei einem Fertigungsunternehmen generierte ein Prozess-Mining-Pilotprojekt monatliche Analyse-Reports über die Effizienz der Produktionsplanungs- und Auftragsabwicklungsprozesse. Die Ergebnisse (identifizierte Engpässe, häufige Prozessvarianten, Durchlaufzeit-Abweichungen) flossen direkt in den etablierten BPM-Governance-Zyklus ein. Auf dieser Basis konnten Prozessverantwortliche gezielte Workshops zur Nachjustierung der Prozesse und zur Anpassung der Workflow-Konfigurationen im BPM-System einberufen.
4. Strategien für die erfolgreiche Implementierung in Großunternehmen
Die erfolgreiche Verzahnung von Prozess-Mining und BPM erfordert eine strategische Herangehensweise:
- Schrittweise Integration und Pilotprojekte: Beginnen Sie nicht mit einem “Big Bang”, sondern mit einem klar abgegrenzten, aber relevanten Pilotprozess (z.B. Rechnungsfreigabe, Onboarding). Modellieren Sie den Soll-Prozess in Ihrem BPM-Tool (wie unserem Workflow Studio oder dem Advanced Process Designer) und nutzen Sie parallel Prozess-Mining, um das Soll-Ist-Delta zu ermitteln und erste schnelle Erfolge zu erzielen.
- Sicherstellung von Datenqualität und Governance: Die Qualität der Prozess-Mining-Ergebnisse steht und fällt mit der Qualität und Vollständigkeit der zugrundeliegenden Log-Daten. Etablieren Sie klare Richtlinien für die Erfassung, Speicherung und den Zugriff auf Event-Logs. Ein dediziertes Data-Governance-Team sollte die Konsistenz und Verfügbarkeit der Daten über Systeme wie ERP, CRM und das BPM-System hinweg sicherstellen.
- Aufbau cross-funktionaler Teams: Bringen Sie die richtigen Kompetenzen zusammen: Datenspezialisten (für die Aufbereitung und Analyse der Logs), Prozessanalysten (für die Interpretation der Mining-Ergebnisse im fachlichen Kontext) und IT-Architekten/BPM-Experten (für die Umsetzung der Erkenntnisse in optimierte BPM-Modelle und Workflows).
- Systematisches Change Management: Kommunizieren Sie frühzeitig und transparent die Ziele und potenziellen Erfolge der Initiative. Integrieren Sie “Lessons Learned” aus Pilotprojekten in Schulungen und Informationsveranstaltungen für Fachbereiche und Management, um Akzeptanz zu fördern und Widerstände abzubauen.
5. Typische Herausforderungen und kritische Erfolgsfaktoren
- Skalierbarkeit der Analyse: Die Verarbeitung großer Datenmengen aus diversen Systemen erfordert skalierbare Mining-Architekturen und ggf. den Einsatz von Big-Data-Plattformen.
- Datenschutz und Anonymisierung: Insbesondere in stark regulierten Branchen oder beim Umgang mit personenbezogenen Daten müssen strenge Datenschutzvorgaben (DSGVO) beachtet und Daten ggf. vor der Analyse anonymisiert oder pseudonymisiert werden.
- Akzeptanz und Umgang mit Transparenz: Die durch Prozess-Mining geschaffene Transparenz kann auch aufzeigen, wo Prozesse nicht optimal laufen oder einzelne Bereiche/Personen Engpässe verursachen. Eine offene Fehlerkultur und klare Rollen und Verantwortlichkeiten im Umgang mit den Ergebnissen sind entscheidend.
- Nachhaltigkeit und kontinuierlicher Betrieb: Prozess-Mining sollte kein einmaliges Projekt sein. Etablieren Sie einen festen Rhythmus für Analysen und Reviews (z.B. monatlich oder quartalsweise) und integrieren Sie diesen fest in Ihren BPM-Governance- und KVP-Zyklus.
6. Ausblick: Die Zukunft liegt in der integrierten, selbstlernenden Prozessoptimierung
Die Entwicklung geht weiter: Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) werden Prozess-Mining-Werkzeuge zunehmend intelligenter machen. Sie werden nicht nur Anomalien aufdecken, sondern auch automatisch priorisieren und konkrete Optimierungsvorschläge für die Anpassung der BPM-Workflows generieren können. Durch moderne API-first-Architekturen und offene Standards (wie MCP für KI-Anbindungen) werden BPM-Plattformen und Mining-Engines noch enger zusammenwachsen – potenziell hin zu einer “Self-Learning” oder “Self-Optimizing” Prozessplattform, die Prozesse nicht nur modelliert, ausführt und überwacht, sondern kontinuierlich und datengestützt selbsttätig optimiert.
Für CIOs und IT-Leiter in Großorganisationen bedeutet dies: Wer bereits heute BPM und Prozess-Mining strategisch verzahnt und eine flexible, integrationsstarke BPM-Plattform als Basis nutzt, positioniert sein Unternehmen nicht nur wettbewerbsfähiger, sondern auch agil und resilient genug, um zukünftige Herausforderungen proaktiv zu meistern und das volle Potenzial der datengesteuerten Prozessoptimierung auszuschöpfen.